23.10.2018: Der Oktober endet, der Winter kommt, das Meer – zumindest das adriatische – hat Ruhe. Aber der nächste Sturm, oder sollten wir sagen, Ansturm?, kommt: Neue Kreuzfahrtriesen wachsen heran. Knapp zwei Dutzend auf einmal werden 2019 der weltweiten Flotte an Touri-Mega-Pötten hinzugefügt …
Schauen Sie sich das Bild an. Nein, das ist nicht Berliner Plattenbau. Nein, das ist kein rumänischer Beinahe-Knast. Aber: ja, das ist der Blick auf ein Hochhaus (auf kroatisch: neboder). Und: Dieses Hochhaus schwimmt.
So sieht sie im Detail aus, die Fassade eines richtig großen Kreuzfahrtschiffes. Nun kann man einwenden: Man guckt ja als Kreuzfahrttourist da nicht drauf, sondern von drinnen heraus! Trotzdem: Wer da ernsthaft drinnen sein will, und sei es, um rauszugucken, der hat doch irgend etwas an dem schönen Wort “Reise” – kroatisch ebenso schön: putovanje – falsch verstanden.
Irgendwann, als die Zeit begann, dass man beim Stichwort Aida nicht mehr an eine Oper von Verdi, sondern an ein Schiff für Touristen dachte – irgendwann damals sagte ich: mit mehr als hundert wildfremden Menschen zusammen zwangsquartiert auf dem Meer? Nie mach’ ich das!
Das sagte ich, obwohl damals schon die Aida-Gäste nicht mit Socken in Sandalen über Bord flappten, sondern durchaus coole Leute so eine Kreuzfahrtreise buchten. Lang ist’s her. Oder in Zahlen: 3.380 zusätzliche Passagiere ist es her. Was hatte ich da von “mehr als hundert” gefaselt? Die Aida ist mit um die 3.300 Menschen an Bord geradezu intim, vergleicht man sie mit der “Symphony of the Seas”, dem größten Kreuzfahrtschiff der Welt. Die Meeressymphonie trägt nämlich 6.680 Menschen auf den Wellen spazieren. Noch einmal: Wer braucht das?
Antwort: immer mehr. 21 neue Kreuzfahrtschiffe laufen im nächsten Jahr aus, sie heißen “Costa Smeralda” oder “MSC Bellissima” oder “Hanseatic Inspiration” und sind alle am Ende dasselbe: Hochhäuser, gigantische Mietskasernen, die schwimmen können.
Vor kurzem noch haben wir uns gefreut wie Bolle, oder wie man in Kroatien sagt: sretni ko malo dite” – glücklich wie ein kleines Kind, weil Dubrovnik die Zahl der erlaubten Kreuzfahrtschiffe pro Tag im nächsten Sommer halbiert. Und schon kommen 21 neue Riesen um die Ecke, und etliche mehr wachsen in den Werften weltweit gerade heran. Es hört nicht auf. Es hört einfach nicht auf.
“Lauft zu Fuß!”, möchten wir den von neun Mahlzeiten pro Tag satten Schiffstouristen zurufen, “und lauft weit, so weit, bis ihr euer Schiff nicht mehr sehen könnt! DANN erst beginnt das Reisen.” Aber sie würden uns in ihrer schieren lärmenden Masse eh nicht hören.
Die gute Nachricht: Die “Symphony of the Seas” ist weit weg von Kroatien unterwegs, sie macht den Bewohnern und Anwohnern ganz anderer Meere Angst. Eine ebenfalls gute Nachricht: Wir, also wir Nicht-Kreuzfahrt-Fans, werden mehr. Und ein bisschen lauter. In Barcelona, einer wie Dubrovnik vom Kreuzfahrttourismus geschundenen Stadt, legte die Schwester der “Symphony”, die “Harmony” an. Worauf der “Verband der Stadtteile für nachhaltigen Tourismus” in Barcelona Protestkundgebungen organisierte. Ich meine: Um die 6.700 Menschen, die gleichzeitig meine Stadt betreten – da protestiert man doch!
Sie werden, das haben die nachhaltig denkenden Spanier schon angekündigt, auch im nächsten Sommer wieder protestieren. Bis neue Regeln gelten für die Riesenpötte.
Die beste Regel: Baustopp.
Die zweitbeste: nicht anlegen lassen.
Die drittbeste: wenigstens, bitte, nicht mit Schweröl betanken, das das Meer langsam tötet und die Luft auch. Immerhin wird EIN neues Kreuzfahrtschiff grün sein. Es heißt “Nova” wie “neu” auf kroatisch. Mit Vornamen heißt es wie diese tolle Oper von Verdi – Sie wissen schon …
(Foto: Pixabay)