18.8.2008: Die, die vom “Balkan” sprechen und somit alle Länder Südosteuropas in einen Topf werfen, vergessen selten zu erwähnen, dass dort der Spruch “Auf gute Nachbarschaft” nicht immer, aber oft nur eine Floskel sei.
Das stimmt in Bezug auf Kroatien und Montenegro nicht – die beiden Staaten kommen im Prinzip gut miteinander aus – wäre da nicht diese eine offene Rechnung: die “Jadran”.
Jadran, kroatisch für Adria – das sagt doch schon alles oder? Die “Jadran” ist eine Segelschiff-Legende – ein wunderschöner, eleganter, beeindruckender Dreimaster, der in Hamburg in der renommierten Stülcken-Werft für die königlich-jugoslawische Marine gebaut wurde und in der deutschen Hansestadt am 25. Juni 1931 vom Stapel lief. Und königlich, majestätisch ist die “Jadran” allemal:
- Ein Dreimaster
- 737 Tonnen schwer
- 60 Meter lang
- 8,90 Meter breit
- 4,55 Meter tief
- 737 Tonnen Verdrängung
- Höchstgeschwindigkeit mit Segeln 10,4 Knoten (19 Stundenkilometer)
- Mit einem Dieselmotor bestückt, der den Segler unterstützt und auf bis zu 480 PS bringt
- Platz für bis zu 61 Mann Besatzung – wovon die Hälfte Auszubildende waren, denn die “Jadran” war als “Schulschiff” für die Marine gebaut worden
Die zeremonielle Indienststellung der stolzen “Jadran” erfolgte in Split, am 25. Juni 1934. Bis 1939 unternahm die “Jadran” vier Fahrten im Mittelmeer und drei im Atlantik. Dann kam der erste Krieg, der das Schiff in den Hafen zwang: Der Zweite Weltkrieg nämlich.
Er hatte zweierlei zur Folge:
- Die Italiener verguckten sich in die “Jadran” und kassierten sie in den Kriegswirren kurzerhand ein, benannten sie in “Marco Polo” um und nutzten sie für ihre marinen Schulungszwecke
- Dann kapitulierte die Italiener im Krieg vor den Deutschen, die sich prompt auch den schmucken “Marco Polo” unter den Nagel rissen – allerdings blieb es weiterhin in Italien, genauer in Venedig, weil die Deutschen nicht so recht was mit dem Schulschiff anzufangen wussten. Es diente – wie schändlich – zwischendurch als Übergang über einen venezianischen Kanal.
Als der Krieg zu Ende war, verlangte Jugoslawien ihre “Jadran” zurück – sie wurde nach Tivat gebracht, in Montenegro, wo das Schiff generalüberholt wurde. Als die Montenegriner mit den Reparaturen fertig waren, hatte Split ein zweites Mal Grund zum Feiern: Am 17. Dezember 1948 war die “Jadran” wieder da, wo sie herkam.
Es vergingen zehn Jahre, dann wurde erneut repariert – wieder in Montenegro. Noch viele Jahre mehr vergingen, man schrieb das Jahr 1989, und erneut sollte repariert werden – diesmal aber kam ein weiterer Krieg dazwischen: der zwischen Kroatien und Titos Jugoslawien. Die “Jadran” blieb in Montenegro, um irgendwann nach dem Krieg repariert zu werden.
Jetzt stellen Sie sich vor, Sie lassen drei-, viermal denselben Handwerker ins Haus, um Reparaturen durchzuführen. Und nach der letzten baut sich der Handwerker vor Ihnen auf und sagt: “So! Ich habe so lange an Ihrem Haus rumrepariert, ich betrachte es jetzt offiziell als MEIN Haus!”
Ungefähr so reagierten die Montenegriner auf Kroatiens Besitzansprüche an der “Jadran”. Das war 2008.
Zehn Jahre später, also im Hier und Jetzt, ist die “Jadran” der vielleicht einzige, dafür aber große Zankapfel zwischen den Nachbarn Montenegro und Kroatien.
Wir zitieren Predrag Boskovic, seines Zeichens Verteidigungsminister von Montenegro: “Die Jadran wurde vor 85 Jahren Teil unserer Geschichte, und wir sind zuversichtlich, dass sie uns alle überleben wird und neue Seeleute und neue Besucher willkommen heißen wird.” Er meinte damit keineswegs kroatische Seeleute oder Besucher …
Wir zitieren das kroatische Verteidigungsministerium: “Die Rückkehr der Jadran gehört zu den Dingen mit der höchsten Priorität in der kroatischen Außenpolitik.”
Das Angebot Kroatiens an den Nachbarn: Man könne das Schiff zu Ausbildungszwecken teilen. Aber die “Jadran” sei ein Kind von Split und “to je to” – so ist das auf kroatisch.
Und was sagt der Kapitän, also sozusagen, um in unserem Bild zu bleiben, die Hausfrau an Bord? Zoran Ivanovski ist da knalhart: “Ich schenke den kroatischen Forderungen keine Beachtung. Dieses Schiff gehört Montenegro.”
Wenn er sich da mal nicht täuscht. Die Kroaten vergessen nicht – und kämpfen immer. Und geben vermutlich so lange nicht auf, wie die “Jadran” seetüchtig ist – und in voller Fahrt nach Split …
(Foto: Pixabay)