24.7.2018: Film ab! Wir kramen in der cineastischen Erinnerungskiste Kroatiens… und arbeiten uns von dort in die Gegenwart des Films made in Croatia hinein. Den Anfang macht das Jahr 1972 – am 18. Juli startet eine Serie im jugoslawischen Staatsfernsehen, die für Aufsehen sorgte … und viele Jahre später unser erstes kroatisches Filmerlebnis wurde.
Ein Freund fand, dass ich das sehen sollte, um die Mentalität, das Lebensgefühl in einem Land zu begreifen, das immer schon, auch zu Zeiten Jugoslawiens, urkroatisch war: „Prosjaci i sinovi“, auf deutsch: Bettler und Söhne.
Erzählt wird die Geschichte des schlitzohrigen Matan, der es mit Tricks und Kampf und unerschütterlichem Glaube an sich selbst vom Tagelöhner zum reichen Mann schafft.
Matan hat nichts als Junge – und glaubt dennoch fest daran, aus diesem Nichts ein Alles zu machen. Dabei tanzt er auf dem schmalen Grad zwischen konservativen Gesellschaftsregeln und anarchischer Ablehnung ebendieser Regeln: Er nutzt jedes Schlupfloch im Korsett des Lebensregelkatalogs, um das scheinbar unmögliche möglich zu machen – und: Es klappt!
Man verfolgt Matans Leben vom Niemand zum Jemand. Man ist mitunter schockiert von diesem Antihelden, der sich die Möglichkeiten seines Geschlechts nie entgehen lässt – Matan will gross, grösser, der Grösste werden. Als seine süsse liebe stille Ehefrau Nusa (gespr. Nuscha) als Aussteuer eine Nähmaschine in den gemeinsamen Haushalt bringt, kann er das nicht ertragen – wie soll er seinen Lieblingssatz gegenüber Nusa – „Alles in unserem Haus ist meins“ – sagen, wo diese vermaledeite Nähmaschine Nusas Nähmaschine ist? Matan tut, was er tun muss (in seinen Augen). Er verkauft die Maschine und kauft für das erhaltene Geld eine neue -seine Nähmaschine für Nusa. Schon stimmt seine Welt wieder.
„Bettler und Söhne“ wurde für mich zur Lehrstunde in Sachen „so ticken Kroaten“ … vieles darin war mir unfassbar – wie die Hauptfigur mit Frauen umgeht – unmöglich, von heute betrachtet völlig gestrig. Wobei Nusa auf ihre stille Weise durchaus Macht über Matan hat… kroatische Frauen, auch die stillen, sollte man nie unterschätzen!
Und doch: Matan hat mich gekriegt. Man kann nicht schwärmen für ihn, aber man wächst beim Gucken in diesen mit allen Wassern (auch den schmutzigsten) gewaschenen Typen
hinein.
Das liegt auch an dem unbequemen, aber sehr charismatischen Darsteller: Rade Serbedzija, gespr. Sservwdschija (geb. 1946 in Bunic, Halbkroate und Halbslowene) ist ein Original, dessen man nicht vergisst.
Serbedzija wurde berühmt – in den USA ist er seit 2017 Mitglied der Oscar-Academy, er spielte an der Seite von Tom Cruise in „Mission Impossible ll, mit Cruise und Kidnan in „Eyes Wide Shut“ – er wurde ein Großer in Hollywood.
Und zu seinen engsten Freunden zählt niemand Geringerer als Angelina Jolie.
Serbedzija lebt in den USA und auf der Insel Brijuni, wo einst Tito sein exklusives Urlaubsreich hatte – Serbedzija leitet dort das „Ulysses Theater“.
„Bettler und Söhne“ ist ein Klassiker der kroatischen Filmszene – speziell die Region Dalmatien wird hier in all ihren Eigenarten auf das Treffendste inszeniert. Der renommierte Filmexperte Leon Rizmaul sagte einmal, er könne jeden Dialog der Serie nachsprechen – die Serie müsse in Schulen gezeigt werden, als einzigartige Beschreibung kroatischen Lebensstils und gesellschaftlicher Entwicklung.
Hier gibt es die Serie im Netz:
https://m.imdb.com/title/tt0066704/
Hier ein kurzer Eindruck von Rade Serbedzija (Kurzinterview zum Horrorfilm „Quarantäne“, auf englisch):
https://m.youtube.com/watch?v=2jPut6kFcQk
Hier (auf kroatisch) ein Text zu Serbedzijas Freundschaft mit Angelina Jolie:
https://www.story.hr/…/selfie-s-angelinom-jolie-kojeg-rade-…
„Bettler und Söhne“ ist speziell – wie viele kroatische Filme. Die Serie wurde übrigens im damaligen Jugoslawien verboten – erst 1984 durfte sie ausgestrahlt werden. Sie war/ist nicht jugoslawisch. Sie ist in vieler Hinsicht eine kroatische Unabhängigkeitserklärung.
(Foto: Pixabay)