Cromedia macht Schule: Willkommen zu unserem 49. Unterrichtspost “Wie werde ich ein echter Kroate?” – diesmal geht es ums Singen, kroatisch: pjevati (gesprochen: pjäwati). Und um andere Geräusche … denn ohne Geräusch, das ist eine subjektive, aber über viele Jahre gewonnene Erfahrung, geht beim Kroaten eigentlich nix. Wenn im kroatischen Haushalt ausnahmsweise nicht der Fernseher, das Smartphone und die Bewohner respektive Gäste alle zusammen eine gehörige Portion Geräusche machen (Geräusch auf kroatisch: “zvuk“, gesprochen: swuk), wenn also sogenannte “mir” herrscht (Ruhe), dann dauert es gefühlt wenige Sekunden, bis der einzelne Kroate an sich selbst zum Geräusch wird: Er singt.
Alle singen.Nicht immer, aber fast immer und vor allem: überall.
Im Supermarkt singt die Kassiererin irgendein Lied vor sich hin, während sie mit für Deutsche unglaublicher Gemütsruhe die Bananen hin und her und schließlich dann doch zum Scanner zieht. Zu Hause singt der Kroate natürlich unter der Dusche, besonders gern aber singt er lautstark gegen die Dunstabzugshaube an, während er kocht. Taxifahrer singen, Kellner singen, und wenn sie nicht singen, die Kroaten, dann summen sie zumindest.
Oder sie machen “hm-hm-hm”, bis der Refrain kommt, und dann heben sie an (gerne auch die Arme), und singen opernmäßig “SVE JE U REDU …” – das ist momentan der Hit meines besten Freundes, die zweite Hälfte des Refrains von “Ostani tu” (Bleib hier), einem Song des kroatischen Sängers Massimo.
“Sve je u redu” heißt auf deutsch übrigens “alles ist in Ordnung“. Und das ist es, wenn der Kroate singt, oder in Ordnung soll es wenigstens sein. So singt der Kroate im Chaos die Ordnung herbei. Er singt aber auch, wenn er traurig ist – der spontane Chor aus Nachbarn, die sich in Split vor dem Haus der am Tag zuvor verstorbenen Sangeslegende Oliver Dragojevic zusammenfanden, DAS war typisch kroatisch.
Für die Chöre, egal ob spontan oder vereinsmäßig gebildet, gibt es in Südkroatien einen eigenen Namen: “klapa“. Das Wort meint generell einfach Clique oder Gruppe. Die klapas kommen ohne Instrumente daher. Polyphoner Gesang, vielstimmiger Gesang – wer Dalmatien besucht, wird zwangsläufig irgendwann irgendwo eine klapa zu hören bekommen.
In Imotski, im dalmatinischen Hinterland, hat die klapa noch einen ganz eigenen Dreh: Dort gibt es “Ganga”, langgezogenen, monotonen Gesang, der für unkundige Ohren klingt wie – äh – Katzenmusik. Deshalb das Bild.
Es ist auch in Kroatien nicht so, das jeder singen kann. Und es ist nicht so, dass jedes Lied gefällt. Aber sie singen trotzdem, die Kroaten. Von Deutschland aus betrachtet, eine nostalgische Geschichte – wer singt hier noch Volkslieder, einfach so? Wer KANN hier überhaupt noch Volkslieder singen, wer weiß noch den Text von, sagen wir, “Die Gedanken sind frei”? Die Kroaten würden ihn kennen, den Text, wäre es ein kroatisches Volkslied. Und falls nicht – würden sie einfach summen …
(Foto: Pixabay)